Allgemein 03.11.2014

Interview mit der Hörgame-Autorin Elodie Pascal

Schauspieler Pit Bukowski und Regisseurin Elisabeth Putz bei den Sprachaufnahmen zu BLOWBACK ©Deutschlandradio-René Fietzek

Interview mit der Hörgame-Autorin Elodie Pascal

Das Gespräch führte Elisabeth R. Hager

Ein Computerspiel für die Ohren. Wie kann man sich das vorstellen?

E.P.: Das Game spielt in einem Unterwasserhotel, dem DIMAH. Um von Level zu Level zu gelangen, muß man sich an einem sogenannten keysound orientieren, den man orten und auf den man dann zulaufen muss. Da das Game in einem Unterwasserhotel spielt, ist unser keysound der Lift. Man muss immer den Lift finden, in den man einsteigt, um ein Level tiefer zu kommen.

Das erste Level ist die Hotellobby, ganz klassisch: Es gibt jemanden, der mit einem Koffer herumläuft. Es gibt eine Frau, die telefoniert, es gibt eine Bar, an der gesprochen wird und am hinteren Ende den besagten Lift. Dorthin muss man in jedem Level finden. Wenn man jemanden anrempelt, reagieren die Leute darauf. Ziel ist es, in jedem Level durch den Raum zum Lift zu finden und Raum für Raum hinunterzufahren bis zum letzten Raum, aus dem man die Hauptfigur, Dereo Durand, befreien muss.

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Regisseurin Elisabeth Putz bei den Aufnahmen zu BLOWBACK ©Deutschlandradio – René Fietzek

 

Und das Ganze spielt in einem Unterwasserhotel?

E.P.: Genau. Es ist so eine Steampunk-Ästhetik. Es spielt zwar in der Zukunft (Im Jahr 2047 – Anmerkung der Red.), aber im Endeffekt sind die Sounds relativ leicht dekonstruierbar. Sie müssen gut ortbar sein, deshalb werden es ein wenig überinszenierte Sounds sein. Wenn ich so mit dir zusammenlaufe, macht es im normalen Leben ja kaum ein Geräusch. Und je tiefer es geht, desto spookyier wird es werden.

 

Parallel zum Launch des Games „Blowback – Die Suche“ wird das Hörspiel „Blowback – der Auftrag“ auf Deutschlandradio Kultur urgesendet. Was war zuerst da? Huhn oder Ei? Hörspiel oder Game?

E.P.: Das ist tatsächlich ein paralleler Prozess gewesen. Ich wollte zunächst das Hörspiel machen und dann das Game daraus entwickeln, weil die beiden stark ineinander verzahnt sind. Schlussendlich war’s dann aber so, dass die Programmierer einen längere Vorlaufzeit haben, als wir dachten. Daher haben wir dann schon mit dem Game begonnen.

 

Wenn ich an Computerspiele denke, habe ich eher etwas Visuelles vor mir, dem das Auditive als eine von mehreren Sinndimensionen beigefügt ist. Wie kam es zur Idee eines reinen Hörgames? Stammt die von Dir?

E.P.: Nein, nein. Die Idee hatte Jana Wuttke, eine Frau, die offenbar wahnsinnig viele Ideen mitbringt in den Sender. Sie hat das vorgeschlagen. Dann gab es eine interne Ausschreibung, bei der ich mich beteiligt hab. Den Zuschlag hat dann zunächst eine Theatergruppe bekommen, Machina eX, die sehr gameaffin sind und Computerspiele als Theaterstücke inszenieren. Ursprünglich war angedacht, dass sie das Game machen und ich das Hörspiel. Nun wurde das aber sehr fließend und wir haben zusammengearbeitet. Der junge Mann von Machina eX (lacht), also ich meine den Philip Steimel, hat die Leveldramaturgie betreut.

 

Welche Fragen hast Du Dir am Anfang gestellt?

E.P.: Am Anfang standen ganz pragmatische Fragen. Wo genau das spielen könnte. Welche Sounds spannend sein könnten, das müssen ja geschlossene Räume sein, damit die Sounds orten kann. Welche Charaktere kommen vor? Wie viele Level macht man? Wie könnte das ablaufen bei einer Spielzeit von ca. einer Stunde?

 

Wie unterscheidet sich das Schreiben eines Hörspiels vom Schreiben eines Games? Und welche Unterschiede merkst du beim Inszenieren?

E.P.: Ja, das ist ein Experiment für uns alle, irgendwo. Ich liebe ja das Inszenieren von Stücken, sei es Feature oder Hörspiel. Das ist meine Leidenschaft. Beim Game wird die Sache schon verdammt abstrakt. Natürlich gibt es da eine Dramaturgie, aber du kannst definitiv nicht dasselbe machen wie beim Hörspiel. Du kannst nicht dieselben Inhalte reinpacken. Es gibt Leute, die sind speed gamer, die interessiert der Inhalt nicht, die wollen möglichst schnell das Rätsel lösen. Andere wiederum wollen eine Art begehbares Hörspiel haben, wo sie ganz viel Informationen bekommen. Wir haben uns gedacht, es muss eine Mischung aus beidem sein. Das abzuschätzen, war nicht einfach. Das ist schon sehr abstraktes Arbeiten.

Die Hauptschwierigkeit war: Ich bin keine Gamerin. Mittlerweile bin ich da aber irgendwie hineingewachsen. Ich würd‘ nicht sagen, dass ich absolutes Know How hab‘ in dies Richtung. Aber was ich wirklich gut kann, ist mit Sounds umgehen, mit Stimmen und mit Musik. Da hab‘ ich mittlerweile einige Erfahrung drin und darauf hab‘ ich mich auch beim Game gefreut.

 

Kann man das Game auch spielen, ohne das Hörspiel zu kennen?

E.P.: Absolut. Die Figuren sind die selben wie im Hörspiel, aber es funktioniert autonom. Dereo Durand und Julia Kourim sind die Hauptfiguren im Game. Der Gamer ist eine Frau und muss einen Mann befreien, was ich auch schön finde irgendwo, dass die Synchronstimme von Bruce Willis, der Manfred Lehmann, von einer Frau befreit werden muss und nicht umgekehrt. Das war mir wichtig, vor allem, wenn man die Genderthematik mitdenkt. Er sitzt im letzten Level in einem so genannten Zauberraum, das ist ein Begriff aus der Geheimdienstsprache. Solche Zimmer hatte man tatsächlich in den 60er, 70er Jahren in den USA, als man mit Wahrheitsdrogen experimentiert hat.

 

Hast Du dich in die Geheimdienstsprache eingelesen?

E.P.: Nein, (lacht). Man darf das auch nicht überfüllen… Du musst dich an Geräuschen orientieren, das ist schwer genug. Beispielsweise ist da ein Pool in einem Raum. Du musst aufpassen, dass du nicht permanent reinfällst. Du weißt nie genau, wo du bist. Ein Raum hat ja eine bestimmte Atmosphäre und ist dadurch begrenzt, einfach weil der Schall geblockt wird. Wir haben versucht, relativ kleine Räume zu benützen und da muss man dann einen Hall und eine Raumatmosphäre reinsetzen. Wie schwer oder leicht es ist, sich zu orientieren in einem geschlossenen Raum, kann jeder rausfinden, indem er sich bei sich daheim die Augen zuhält, und versucht, durch den Raum zu kommen.

 

Würdest du uns das als Vorbereitung auf das Game mit auf den Weg geben?

E.P.: Naja, ich hab‘ das gemacht. Ich weiß nicht, ob andere das auch tun müssen. Aber ich hab das gemacht.

 

Und, hast du jetzt als Game-Autorin Blut geleckt?

E.P.: Ich hab‘ schon zu Katrin Moll gesagt, ich hätte da noch Material für den zweiten Teil… Aber im Ernst: das ist schon sehr spannend, so etwas zu machen. Aber wir werden ja sehen. Ich denk‘ nie so sehr an die Zukunft. Was kommt, kommt…

 

Elodie Pascal wurde 1982 in Orléans, Frankreich, als Tochter eines französischen Psychoanalytikers und einer österreichischen Maskenbildnerin geboren. Sie absolvierte ein Studium der Philosophie in Paris und Quebec. Heute lebt sie als Autorin in Paris.