Allgemein 11.11.2014

@ Kopfbezogene Stereophonie

Making Of Filmstill: Sprung über den Kunstkopf | Zu sehen (v.l.) Projektleiter Mario Weise, Regisseurin Elisabeth Putz, Toningenieur Bernd Friebel und der Kunstkopf © Katrin Moll

Gespräch mit Jürgen Goeres-Petry, Hauptabteilungsleiter Programmmanagement bei Deutschlandradio Kultur 

Herr Goeres-Petry, wie findet das Ohr den Sound im Raum?

21:05:2013; JÜRGEN GOERES-PETRY  ,Sendung und Produktion, Funkhaus Köln

Jürgen Göres-Petry ©privat

Wir haben zwei Ohren. Jedes dieser Ohren ist in eine bestimmte Richtung gerichtet. Der Klang einer Schallquelle trifft also an jedem Ohr zu einem etwas anderen Zeitpunkt ein und mit einer etwas anderen Lautstärke. Die Richtung findet das Gehirn durch die Unterschiede in der Lautstärke und dem Zeitunterscheid, mit dem der Schall bei beiden Ohren ankommt. Der Unterschied zwischen den Klängen an einem Ohr und den Klängen am anderen Ohr ist das, was Richtungshören ausmacht.

 

Welche Technik ist nötig, um das im Studio nachzubilden?

Idealerweise und vereinfacht für Kopfhörerstereophonie geht es so: Ich bilde mir einen künstlichen Kopf –  den so genannten „Kunstkopf“ – , setze an Stelle des Trommelfells Kugelmikrophone ein und nehme jedes Signal genauso auf wie es sich im Raum verhält. Der Abstand zwischen den Mikrofonen beträgt 16,5 cm, das entspricht etwa dem durchschnittlichen Ohrabstand beim Menschen.

IMG_0225

Kunstkopf in freier Wildbahn © Katrin Moll

Was bedeutet der Begriff „Kunstkopf“?

Vor round about 40 Jahren kam die in Berlin ansässige Firma Neumann auf die Idee, Klänge nicht nur über einzelne Mikrofone, sondern tatsächlich dem Ohrsignal entsprechen  über einen Kopf mit zwei eingebauten Mikrofonen aufzunehmen. Das ist in der Rundfunkgeschichte ursprünglich beim SFB und anderen gemacht worden. Damit wurden in der Rundfunkgeschichte Features und Hörspiele aufgenommen. Das hat über viele Jahre stattgefunden, hat sich aber letztlich nicht durchgesetzt, weil die Wiedergabe über Kopfhörer zwar wunderbar funktioniert, die Wiedergabe über Lautsprecher eines binaural aufgenommenen Signals aber sehr eigenartig und hohl klingt. Es klingt nicht so wie wir es gewohnt sind. Deshalb hat sich das damals nicht durchgesetzt.

Daraufhin gab es natürlich andere Versuche: Man hat da zum Beispiel eine Scheibe genommen – die so genannte „Jecklin-Scheibe“ mit zwei Mikrofonen im Ohrabstand von 16,5cm. Die Wiedergabe über Lautsprecher ist dabei deutlich angenehmer.  Andere haben einfach eine Holzkugel genommen und ebenfalls mit 16,5cm Abstand zwei Kugelmikrofone eingebaut. Auch diese Wiedergabe, die man despektierlich „Holzkopf“  genannt hat, funktioniert über Lautsprecher sehr gut. Es ist immer die Frage: Produziere ich für den Kopfhörer oder für den Lautsprecher? Kunstkopf ist nur für den Kopfhörer. Alle anderen, nachfolgenden Technologien haben versucht, Klangrichtungen abzubilden, aber trotzdem für stereophone Wiedergabe über Lautsprecher zu funktionieren.

 

Wie unterscheidet sich binaural-Stereo von normalem Stereo?

Die stereophone Wiedergabe ist eine Wiedergabe über zwei Lautsprecher. Auf der Ebene zwischen den Lautsprechern bilde ich Richtungen durch Pegelveränderungen ab. Binaural hingegen heißt Wiedergabe eines Klangbildes mit zwei Signalen, die aber nur über den Kopfhörer funktioniert. Stereo ist für Lautsprecher, binaural  nur für Kopfhörerwiedergabe.

Lässt sich das Richtungshören trainieren?

Wenn die binaurale Wiedergabe funktioniert, sollte das möglich sein. Natürlich gibt es Unterschiede: Rauschen ist schwerer zu hören als Signale in kurzen Intervallen. Und natürlich lässt sich das Orten auch trainieren, allein indem man sich daran gewöhnt darauf zu achten, wo im Raum etwas klingt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sehr gerne!