Allgemein 07.01.2015

Gespräch mit Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben

Das Hörgame BLOWBACK | DIE SUCHE spielt vor dem Hintergrund großer weltweiter Wasserknappheit. Wie aber sieht die Zukunft der Berliner Wasserversorgung aus? Zur Klärung dieser Frage besuchte Elisabeth R. Hager den Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe, Stephan Natz, in seinem Büro in Berlin Mitte.

In BLOWBACK kämpfen in naher Zukunft zwei rivalisierende Wasserkonzerne um die Vormachtstellung auf dem Wasserversorgungssektor. Wie realistisch ist ein solches Szenario im heutigen Deutschland?

Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe ©Malte Jäger

Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe ©Malte Jäger

Wenn man sich die deutsche Wasserwirtschaft anguckt, sieht man schnell, dass die sehr zersplittert ist. Das folgt dem so genannten Kommunal-Territorialprinzip. Wir haben in Deutschland derzeit rund 6000 Wasserversorger, genauso viele kommen noch einmal als Abwasserversorger dazu. Wir haben also eine sehr sehr kleinteilige Struktur. Das steht der Übernahme durch große Konzerne stark entgegen. Zum anderen verzeichnen wir in den letzten Jahren einen starken Trend zur Rekommunalisierung, sprich ehemals privatisierte Unternehmen werden von den Kommunen wieder zurückgekauft.

Auf unserem Blog habe ich vor einiger Zeit einen Dokumentarfilm verlinkt, “Water Makes Money”, in dem es um zwei private Wasserkonzerne in Frankreich geht. Suez und…

Veolia.

Genau. Der Film thematisiert französische Verhältnisse, aber es geht unter anderem auch um die Stadt Braunschweig. Daher kam mir nach dem Schauen des Films das BLOWBACK-Szenario gar nicht so unrealistisch vor.

Ich kenne den Film und finde ihn ein wenig reißerisch. Da wird so getan, als ob ein privater Dienstleister per se der böse Wolf wäre, der die arme Kommune frisst. Das ist nicht zwangsläufig so. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit der Kommune, so etwas zu tun. Aktuell glaube ich, ist es besonders wichtig, auf die Entwicklung der Freihandelsabkommen zu achten, TTIP zum Beispiel. Viele Kommunen haben Angst, dass sie bestimmte Dienstleistungen ausschreiben müssen. Hier aber wirken die deutsche Regierung und Lobbystrukturen entgegen. Der „Deutsche Städte- und Gemeindebund“ etwa, der „Verband kommunaler Unternehmen“, der „Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft“ versuchen darauf Einfluss zu nehmen. Und der Trend in Deutschland geht eindeutig von der Privatisierung und Teilprivatisierung zurück zur staatlichen Versorgung. Auch wir waren als grösstes deutsches Wasserunternehmen von 1999 bis 2013 teilprivatisiert. Die Kommune hat dabei aber immer die Mehrheit gehabt. Diese Minderheitsbeteiligungen am Wasser sind durch das Land Berlin allerdings zurückgekauft worden.

Warum sind die Berliner Wasserbetriebe von der Privatisierung abgekommen?

Privatisiert hat uns seinerzeit das Land Berlin, um der Verschuldung der Wendezeit Herr zu werden. Ab Mitte der 90er Jahre gab es eine starke Verkaufswelle an kommunalem Eigentum. So ist etwa der Energieversorger BEWAG verkauft worden, der Gasversorger GASAG und schliesslich hat man sich ans Wasser gewagt und 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe für damals 3,3 Milliarden Mark verkauft. Mittlerweile ist die Stimmung gekippt. Das folgt – wie gesagt – dem deutschen Mainstream. Andererseits musste sich der hohe Verkaufspreis für die Gesellschafter refinanzieren. Das hat bedeutet, dass die Wassertarife gestiegen sind. Und das wiederum hat zu einer Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt. Gepaart mit dem politischen Gesinnungswandel ist die Unzufriedenheit noch gestiegen. Deswegen haben in Berlin mehrere 100 000 Leute bei einem Volksentscheid vor zwei Jahren gesagt: „Wir wollen unser Wasser wiederhaben!“ Und das ist letztlich in politisches Handeln übersetzt worden.

01_DRadio_Game_Main_Illu_9Das ist ja ein sehr erfreulicher Trend…

Es ist ein erfreulicher Trend, wenn die Kommune einen gewissen Gestaltungswillen mitbringt. Wenn es nur einer Ideologie folgt, dann glaube ich, ist es nicht unbedingt gut, wie man etwa am Flughafen sehen kann, der in staatlicher Hand gebaut wird und für mich ein Sinnbild dafür ist, dass der Staat nicht immer alles gut kann. Die Frage ist, wie engagiert er sich, welche Ziele hat er und wie konsequent ist er dabei.

Wollen wir noch kurz in die Zukunft springen? BLOWBACK spielt im Jahr 2047. Im Game ist Wasserknappheit ein riesiges Thema. Wie wird die Wasserversorgung Berlins 2047 aussehen?

Da muss ich gar nicht so sehr orakeln. Wir haben das nämlich untersuchen lassen (…lacht). Und zwar im Wasserversorgungskonzept BERLIN 2040. Das haben wir 2008 gemeinsam mit Naturwissenschaftlern und Demographen entwickelt. Dabei haben wir mehrere Szenarien untersucht, die Veränderungen hervorrufen können oder müssen. Wir sind insgesamt zum Schluss gekommen, dass die Wasserversorgung Berlins aus mehreren Gründen sicher ist: Erstens haben wir beträchtliche Reserven, die wir noch nicht nutzen. Dazu müssen sie wissen, dass wir im Wendejahr 1989 noch doppelt soviel Wasser benutzt haben wie heute.

Wie kommt das?

Das hat damit zu tun, dass es in Berlin heute kaum noch Schwerindustrie gibt. Und die Industrie, die nachkommt, verwendet Wasser aus ökologischen Gründen fast nur noch in geschlossenen Kreisläufen. Und auch die Berliner Haushalte verbrauchen immer weniger Wasser. Die Leute, die nach Berlin ziehen, kompensieren, diesen Schwund wiederum. Wir haben also in Berlin einen sehr stabilen Wasserverkauf. Ein weiterer Grund für den Optimismus ist, dass wir nur Grundwasser nutzen und dieses Grundwasser “machen” wir uns quasi selber. Wir nützen den Boden als natürlichen Reaktor, so dass wir ein hervorragendes Grundwasser haben, das wir nur noch von Eisen befreien und fertig ist unser gutes Trinkwasser.

Haben Sie am Ende vielleicht noch einen Wasserspar-Tipp für unsere Leser_innen?

Ja indirekt schon: Ein Mensch in Deutschland nutzt am Tag etwa 120 Liter Wasser. Das ist nicht viel. Dazu müssen Sie aber das so genannte virtuelle Wasser rechnen. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Wer führt sich schon vor Augen wie viele tausend Liter in einem einzigen T-Shirt aus Baumwolle stecken, das man sorglos für 10 Euro irgendwo gekauft hat? Und dass Baumwolle meist in wüstenartigen Regionen angebaut wird, wo zur Bewässerung Flüsse angezapft werden? Und dass dieses Flusswasser den Menschen, die dort leben, für ihr tägliches Leben fehlt? Muss man wirklich jede Frucht zu jeder Jahreszeit essen? Und jeden Tag Fleisch, das irrsinnig viel Wasser braucht? Wenn man das bedenkt, bleibt der tägliche Wasserverbrauch nicht bei 120 Litern, sondern steigert sich um ein Vielfaches. Wer nachhaltig leben will, sollte darauf achten, so gut es eben geht.